Die Gefährdungsbeurteilung im Arbeitsschutz
Im Arbeitsschutz ist die Gefährdungsbeurteilung eines der wichtigsten Instrumente, denn jeder Mensch hat das grundgesetzlich verbriefte Recht auf Unversehrtheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz). Dies trifft nicht nur auf das Privatleben, sondern auch auf die Berufstätigkeit zu. Konkret heißt das, dass die jeweiligen Arbeitsbedingungen einem Arbeitnehmer weder kurzfristig noch langfristig schaden dürfen.
Was ist eine Gefährdungsbeurteilung?
Die Gefährdungsbeurteilung ist ein systematisches Verfahren zur Identifizierung und Bewertung von Risiken für Menschen, Eigentum und die Umwelt.
Die Gefährdungsbeurteilung kann nach normativen Beurteilungskriterien (z. B. Grenzwerte) und/oder nach subjektiven Beurteilungskriterien (z. B. Eintrittswahr-scheinlichkeit, voraussichtliche Schwere eines möglichen Gesundheitsschadens) erfolgen. Gefährdungsbeurteilungen sind für ein definiertes Arbeitssystem vorzunehmen.
Die Beurteilung der einzelnen Arbeitssysteme ist die Grundlage zur Erfüllung der Forderung gem. § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), wonach der Arbeitgeber eine Beurteilung der Arbeitsbedingungen aller Beschäftigten je nach Art ihrer Tätigkeit durchzuführen hat. Die Gefährdungsbeurteilung ist somit ein Handlungsinstrument.
Wann muss eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden?
Eine Gefährdungsbeurteilung muss jedes Mal durchgeführt werden, wenn neue Arbeitsmittel, Arbeitsprozesse und Arbeitsverfahren eingesetzt werden, die möglicherweise ein Gesundheits- oder Sicherheitsrisiko für die Beschäftigten bergen. Gefährdungsbeurteilungen sollten zudem regelmäßig durchgeführt werden, damit bestehende Gefährdungen überwacht, kontrolliert und gesteuert werden können.
Über die gesetzliche Verpflichtung zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen nach ArbSchG hinaus sollen Gefährdungsbeurteilungen insbesondere dann durchgeführt werden, wenn:
bei Planung oder Änderung von Arbeitsplätzen, Anlagen und Verfahren Entscheidungshilfen im Sinne der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes benötigt werden
auf Grund von Hinweisen oder bekannt gewordener Beinahe-Unfälle auf besondere Gefährdungssituationen zu schließen ist
sich besondere Unfall- oder Gesundheitsbelastungen an best.Arbeitsplätzen, bei bestimmten Arbeitsverfahren oder Tätigkeiten zeigen
bei Überprüfungen der Arbeitsplätze festgestellt wird, dass Arbeitsschutzmaßnahmen nicht mehr ausreichend wirksam sind.
Nach welchen Handlungsschritten wird eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt?
Die Gefährdungsbeurteilung wird nach den folgenden Handlungsschritten durchgeführt
1. Analyse: Systematische Gefährdungsermittlung
2. Beurteilung: Gefährdungen beurteilen, Risiken abschätzen und beurteilen. Ergibt die Beurteilung der Analyseergebnisse den Zustand Gefahr (nicht akzeptables Risiko), besteht Handlungsanlass entsprechend der nachfolgenden Schritte:
3. Zielsetzung: Der erforderliche Soll-Zustand zur Gestaltung sicherer und gesundheitsgerechter Arbeitssysteme ist zu beschreiben
4. Lösungssuche: Auf der Basis der Ziele sind Lösungen zu entwickeln. Für unterschiedliche Ziele sind unterschiedliche Lösungen möglich. Aber auch für ein Ziel sind prinzipiell unterschiedliche Maßnahmen möglich
5. Lösungsauswahl: Lösungen sind unter Berücksichtigung der Maßnahmenhierarchie zu beurteilen und auszuwählen
6. Durch- und Umsetzung der Maßnahmen: Maßnahmen müssen im Betrieb von den zuständigen Führungskräften durchgesetzt werden. Die Umsetzung muss entsprechend der Zielvorgabe und der getroffenen Entscheidung erfolgen
7. Wirkungskontrolle: Die Wirkungskontrolle bildet den Schluss der systematischen Vorgehensweise. Es ist anhand der Ziele zu beurteilen, ob die durchgeführten Maßnahmen die Gefährdungen wie vorgesehen beseitigt/verringert haben oder ob evtl. neue Gefährdungen entstanden sind.
8. Ist die Wirkungskontrolle nicht erfolgreich bzw. sind neue/andere Gefährdungen entstanden, ist die Gefährdungsermittlung und Gefährdungsbeurteilung zu wiederholen.
Wann muss der Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung durchführen?
Der Arbeitgeber muss die Gefährdungsbeurteilung unverzüglich nach Eintritt einer Änderung an den Arbeitsbedingungen oder Arbeitsverfahren durchführen. Die Gefährdungsbeurteilung muss außerdem aufgrund der Einführung neuer Technologien, des Einsatzes neuer Arbeitsmittel und der Entwicklung neuer Arbeitsabläufe immer dann erfolgen, wenn es die Arbeitsschutzbestimmungen des jeweiligen Landes vorsehen.
Generell müssen Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung machen, sobald es Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für die Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiter gibt.
Dazu gehören beispielsweise neue Arbeitsgeräte, neu eingeführte Arbeitsprozesse oder eine veränderte Arbeitsumgebung.
Was gibt es für Gefährdungsbeurteilungen bzw. für was braucht man eine Gefährdungsbeurteilung?
Für Tätigkeiten
Zum Beispiel:
- vorwiegend mechanische Tätigkeiten wie Sägen, Bohren, Schrauben, Hämmern u. a.
- Tätigkeiten mit Gefahrstoffen wie Abbeizen, Spachteln
- Schneid- und Schweißtätigkeiten mit hohen Brandgefahren, Gefahren durch optische Strahlung oder krebserregende Schweißrauche
Sägen, Bohren, Schrauben, Hämmern, Schleifen, Abbeizen, Spachteln, Schneidbrennen und Schweißen sind Tätigkeiten, bei denen unterschiedliche Gefährdungen auftreten können. Es ergibt also Sinn, die Arbeit in einem Handwerksbetrieb in einzelne Tätigkeitsbereiche zu unterteilen, die separat zu beurteilen sind.
Für Arbeitsmittel
Frei liegende Sägeblätter und defekte Stromisolierungen stellen ganz offensichtlich eine Gefahr dar, aber es reicht schon aus, eine Leiter nicht richtig aufzustellen: Immer wieder kommt es zu schweren oder gar tödlichen Unfällen am Arbeitsplatz, weil Arbeitsmittel unsachgemäß angewendet werden oder fehlerhaft sind. Deshalb ist nach § 3 der Betriebssicherheitsverordnung im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu prüfen, welche Gefährdungen von Arbeitsmitteln ausgehen.
Zum Beispiel:
- Gefährdungen durch das Arbeitsmittel selbst
- Gefährdungen durch das Zusammenwirken mehrerer Arbeitsmittel, beispielsweise verketteter Maschinen
- Gefährdungen durch die Anwendung und dabei möglicherweise freiwerdende Stoffe und Energien
Arbeitsmittel müssen immer in einem einwandfreien Zustand sein; im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung sind deshalb regelmäßig wiederkehrende Prüfungen nach Art und Umfang vorgeschrieben.
Für Gefahrstoffe
Kein Unternehmen kann heute auf den Einsatz von chemischen Stoffen verzichten. Mittlerweile ist der Umgang mit entsprechenden Produkten so selbstverständlich geworden, dass es uns kaum noch auffällt. Lacke oder Farben, Kühlschmierstoffe, Laborchemikalien, Wasch- und Reinigungsmittel, Öle und Fette werden als natürlicher Bestandteil der Arbeit aufgefasst, sodass die von ihnen ausgehenden Gefährdungen allein aufgrund eines „Gewöhnungseffekts“ nicht mehr wahrgenommen werden.
Dabei sind die Risiken nicht zu unterschätzen: Chemische Stoffe können Vergiftungen oder Verätzungen, Brände und Explosionen auslösen oder – wie beim Beispiel Asbest – nach vielen Jahren zu schwersten Erkrankungen führen.
Immer sind deshalb Schutzmaßnahmen erforderlich, die im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung ermittelt werden müssen. Die besondere Hürde liegt hier jedoch darin, dass die aktuelle Gefährdung nicht nur von den gesundheitsschädlichen Eigenschaften der verwendeten Stoffe, sondern auch von deren Freisetzungsverhalten sowie dem jeweiligen Arbeitsverfahren abhängt. Außerdem sind inhalative, auf die Haut bezogene (dermale) und physikalische / chemische Gefahren zunächst getrennt zu ermitteln und anschließend in einer Beurteilung zusammenzuziehen. Eine korrekte Gefährdungsbeurteilung ist ein komplexer Prozess, der profundes Spezialwissen und Berufserfahrung erfordert.
Für Biostoffe
Sie sind allgegenwärtig: Bakterien, Viren, Pilze und andere Mikroorganismen, die im Arbeitsschutz als „Biostoffe“ bezeichnet werden. Allein auf unserer Haut leben etwa 100 bis 10.000 Bakterien pro Quadratzentimeter. Wir begegnen ihnen beim Kontakt mit anderen Menschen, bei der Gartenarbeit und überhaupt überall in unserem Umfeld. Typischerweise merken wir aber nichts davon.
Kritisch wird es jedoch immer dann, wenn besonders gefährliche oder besonders viele Biostoffe im Arbeitsumfeld angetroffen werden. Das kann beispielsweise im Abwasser- oder Abfallbereich der Fall sein, in Laboratorien, im Gesundheitswesen, bei der Garten- und Forstarbeit und in diversen anderen Tätigkeitsfeldern. Abhängig von der spezifischen Arbeitssituation können daraus Erkrankungen resultieren, die – wenn es unglücklich läuft – an Kollegen, Angehörige und andere Menschen weitergegeben werden.
Um dies zu verhindern, sind nach der Biostoffverordnung und dem Arbeitsschutzgesetz Schutzmaßnahmen für die Mitarbeiter zu ergreifen. Am Anfang steht dabei die Gefährdungsbeurteilung, die Probleme identifiziert und bewertet. Zu erfassen sind z. B. Art, Häufigkeit und Gefährlichkeit der Biostoffe, die Expositionssituation oder mögliche bereits vorhandene Schutzmechanismen. Daraus entwickeln Arbeitsschutzfachleute und Betriebsärzte spezifisch auf den Arbeitsplatz zugeschnittene Schutzmaßnahmen, nennen entsprechende Verhaltensregeln und führen bei Bedarf ärztliche Untersuchungen durch.
Biostoffe sind winzig, ihre Wirkung aber kann riesig sein. Ein effizienter Arbeitsschutz und eine richtige Gefährdungsbeurteilung in diesem Bereich leistet auch einen wesentlichen Beitrag zum Bevölkerungsschutz.
Für psychische Belastungen
Psychische Gesundheit ist für die Qualität von Arbeit unverzichtbar. Denn Stress wirkt sich langfristig negativ auf Motivation, Leistungsfähigkeit und Betriebsklima aus. Mit der gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung identifizieren Sie die organisatorischen Schwachstellen und Belastungsquellen in Ihrem Unternehmen.
Wir unterstützen Sie dabei, zum Beispiel durch moderierte Verfahren und Mitarbeiterbefragungen.
So definieren wir Verbesserungspotenziale und schaffen Rahmenbedingungen, die das psychische Wohlbefinden Ihres Teams nachhaltig fördern.
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